Best Bits: Die Mi'hen-Offensive - FINAL FANTASY X

Achtung: Dieser Artikel enthält erhebliche Spoiler zu FINAL FANTASY X.
Von Duncan Heaney

In der Rubrik "Best Bits" blickt unser Blog-Team auf seine Lieblingsmomente in Spielen von Square Enix und erläutert, warum sie so herausragend sind. Aber nur um das klarzustellen: Wir behaupten nicht, dass es sich dabei um den absoluten Höhepunkt des jeweiligen Spiels handelt. Es ist ganz einfach ein Moment von vielen, der sich abhebt und in Erinnerung bleibt. Also seid nicht sauer auf uns, wenn ihr anderer Meinung seid, okay?


Etwas, das FINAL FANTASY X so besonders macht, ist der Ton dieses Spiels. Es gibt zwar eine Menge Humor und opulente Abenteuer, aber da ist auch dieser beherrschende, melancholische Unterton.

Fast die ganze Zeit wirft Sin seinen unheilvollen Schatten auf die Welt Spira. Dieses gewaltige Meeresungeheuer vernichtet Leben, und die Bewohner vertrauen auf Medien wie Yuna und deren Macht, um es aufzuhalten. Aber wie Yuna und ihre Leibgarde nur allzu genau wissen: Diese Aufgabe wird alles andere als leicht.

Sämtliche Versuche, Sin zu stoppen, enden für gewöhnlich auf dieselbe Weise: Mit Tod und Vernichtung. Die Mi'hen-Offensive ist einer dieser katastrophalen Versuche.

Was ist die Mi'hen-Offensive?

Yunas Pilgerreise bringt sie zum Fungus-Pass. Hier herrscht großer Aufruhr, es wimmelt von Soldaten und Chocobos, die einen groß angelegten Angriff gegen Sin vorbereiten.

Die Gruppe findet heraus, dass es hier zu einer beispiellosen Zusammenarbeit der Bürgerwehr (einer Anti-Sin-Armee) mit dem Technologie-gläubigen Volk der Al Bhed kommt. Zudem ist ein ziemlich hohes Tier anwesend - Meister Seymour Guado höchstpersönlich. Seymour findet Gefallen an Yuna und lädt die Gruppe ein, den Geschehnissen beizuwohnen.

Die Bürgerwehr plant, Sin-Schuppen zu sammeln - monströse Körperfragmente von Sin - und mit diesen die wasserbewohnende Bedrohung anzulocken. Anschließend wollen die Al Bhed ihre mächtigen Kanonen einsetzen, um das Monster ein für alle Mal zu vernichten.

Der Plan ist einfach und auf den Punkt. Was könnte da schon schief gehen? Alles, zum Beispiel!


Die Folgen

Zunächst einmal entkommen die Sin-Schuppen ihrer Gefangenschaft, weshalb die Gruppe gezwungen ist, sich in den Kampf zu stürzen. Nachdem sie eine der Monstrositäten besiegt haben, erleben die Helden voller Schrecken, wie Sin dem mächtigen Angriff widersteht und mit einer seiner Attacken kontert.

Als sich der Staub lichtet, sind hunderte Kämpfer der Bürgerwehr tot, die Gruppe ist zerstreut und ein weiterer Sin-Schuppen-Boss auf Beutezug. Zum Glück ist Seymour zur Stelle und erledigt, unterstützt von Yuna, die Bestie ohne allzu große Probleme.

Was genau macht diesen Abschnitt nun so denkwürdig?

Thematische Opulenz

Kehren wir zurück zum Ton des Spiels. FINAL FANTASY X ist sicher kein freudloses Spiel, aber ein trauriges. Hinter dem Enthusiasmus der Leute, den Freundschaften, der Familie und dem Lachen gibt es ein nagendes Gefühl der Unvermeidbarkeit.

Sin ist eine Macht der Zerstörung, die nicht geschlagen werden kann. Selbst wenn die Pilgerreise eines Mediums erfolgreich ist, sorgt das nur für eine zeitweilige Atempause. Sin kehrt stets zurück. Und damit sind die Offensiven der Bürgerwehr zum Scheitern verdammt. So wie es einer der Charaktere erklärt: Man ist nur dazu da, Sin von den Siedlungen fernzuhalten. Wirklich verletzten wird man die Bestie nie können.

Die Mi'hen-Offensive macht das in anschaulichster Weise klar. Der Angriff auf Sin ist zum Scheitern verurteilt - Auron weiß das, die Meister wissen das, und wir, das Publikum, wissen es auch. Es wird zwar nie deutlich herausgestellt, aber man kann sich denken, dass ein Teil der Bürgerwehr es ebenfalls weiß. Aber man zieht die Sache trotzdem durch, weil es immer noch besser ist, etwas zu tun als gar nichts.

Die Offensive ist zweifellos ein Fiasko, sie hinterlässt hunderte Tote und Verletzte. Den Überlebenden bleibt nichts übrig, als sich aufzurappeln und weiterzumachen. So macht man das eben in Spira. Es ist unvermeidbar.

Motivation fürs Questen

Die Anfangsphase von FINAL FANTASY X spielt sich vornehmlich aus Tidus' Perspektive ab. Wir erleben sein Ringen, erfahren etwas über seine Kindheit und werden durch seine Augen in die Welt eingeführt.

Selbst als Tidus zur Leibgarde kommt, geschieht das ohne tieferes Verständnis für die Tragweite der Pilgerreise. Es besteht also das Risiko, dass die komplexen religiösen und politischen Aspekte von Yunas Pilgerreise zu einem bloßen Hintergrund für die Bemühungen von Tidus verkommen.


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Zum Glück haben wir's mit cleveren Entwicklern zu tun. Indem sie uns durch die Mi'hen-Offensive nahe an Sin heranbringen, schiebt sich die Geschichte von Yuna in den Vordergrund des Spiels. Wir werden daran erinnert, dass es von echter Bedeutung ist, Sin aufzuhalten, und das motiviert uns, Zeit und Mühe in die Quest zu investieren.

Eine reichere und stimmigere Welt

Sorry, falls ihr das schon öfter gehört habt, aber 'die Welt selbst ist ein Spielcharakter'.

Das mag jetzt nicht die originellste Bemerkung sein, aber sie trifft voll und ganz auf FINAL FANTASY X zu. Meiner Meinung nach ist einer der großartigsten Aspekte des Spiels, wie wunderbar herausgearbeitet Spira ist. Und zwar nicht nur in puncto Geographie oder Bewohner, sondern auch bezüglich der Gesellschaft selbst.

Da gibt es zum Beispiel eine durchgehende Spannung zwischen den ergebenen Jüngern von Yevon, die den Einsatz von Machina, also Technologie, als Tabu betrachten, und den Al Bhed, die das Hantieren mit Machina und ihre Verwendung als Selbstverständlichkeit sehen.

Auf dieses Spannungsfeld wird schon in frühen Phasen des Spiels hingewiesen, aber bei der Mi'hen-Offensive rückt es ins grelle Rampenlicht.

Die Zusammenarbeit der Bürgerwehr mit Al Bhed und ihrer Technologie ist eine Quelle großer Konflikte - viele Yevon-Jünger sind entsetzt davon, besonders Wakka.

Als alles in die Binsen geht, werden viele Überlebende mit so etwas wie einer existenziellen Krise konfrontiert. Sie glauben, dass ihre Abkehr von den Lehren ihrer Religion der Grund dafür ist. Viele gehen nach der Schlacht zu den Tempeln, um mit den Priestern zu arbeiten und für ihre Sünden zu büßen.

Ein derart kleinteiliger Blick auf das Verhältnis von Yevon und Technologie bereichert unser Verständnis der Welt.

Wir erleben, welche Macht die Religion über sämtliche Aspekte der Gesellschaft hat. Wir erfahren, welche Rolle alte Technologie in diesem Land spielt. Wir erkennen, wie die Jünger von Yevon den Al Bhed zürnen und misstrauen.

Dank der Mi'hen-Offensive fühlt sich Spira wie ein akribisch ausgearbeiteter, wirklich von den Charakteren bevölkerter Ort an.

Aufbau von Figuren durch das Spielgeschehen

Wir wissen bereits, dass Seymour mächtig ist - wir haben ihn ja schon früher in der Geschichte erlebt. Aber indem er unter unsere Kontrolle gestellt wird, bekommen wir einen Eindruck davon, zu welchen Leistungen er imstande ist.

Jedes Mitglied unserer Gruppe hat eine bestimmte Rolle in der Schlacht - Yuna ist Weißmagierin, Lulu Schwarzmagierin, Wakka konzentriert sich auf Fernangriffe und so weiter.

Und so öffnet es uns die Augen, wenn Seymour zur Gruppe hinzustößt. Er besitzt mächtige, offensive Magie, er kann heilen und er walzt durch die Gegner wie ein Panzer. Er ist ein Alleskönner und ein Meister in fast allen Dingen.

Zusammen mit seiner gehobenen Position in der Gesellschaft von Spira macht das einen zentralen Punkt unmissverständlich klar: Diesen Typ sollte man ernst nehmen.

Trotz seines Widerwillens, sich das Hemd zuzuknöpfen.


Dies sind also ein paar Gedanken zu einer unserer Lieblingsstellen in FINAL FANTASY X - aber ihr habt sicher eure eigenen. Teilt sie doch in den Kommentaren oder auf den sozialen Medien:

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