Die Architekten von Midgar: Wie wir die Mako-Metropole in FINAL FANTASY VII REMAKE neu erschaffen haben

Wie lässt sich ein Schauplatz nachbauen, der so legendär ist wie Midgar? FINAL FANTASY VII REMAKE Co-Director Naoki Hamaguchi erklärt, wie das Team an diese schwierige Aufgabe herangegangen ist.
Von Naoki Hamaguchi, Co-Director for FINAL FANTASY VII REMAKE

Hallo, ich heiße Naoki Hamaguchi und bin Co-Director von FINAL FANTASY VII REMAKE.

Als wir mit der Entwicklung des Spiels begannen, waren wir mit einer einschüchternden Aufgabe konfrontiert: Der Nachbildung und Erweiterung der Stadt Midgar. Diese Metropole ist einer der berühmtesten Videospiel-Schauplätze, und wir mussten sie neu hochziehen, ohne die Atmosphäre zu zerstören, die ihr eine so große Liebe der Spieler beschert hat.

Man kann also mit Fug und Recht sagen: Das Team spürte einen gewissen Druck!

Wie sind wir also an diese Herausforderung herangegangen? Ich will euch ein bisschen was dazu und zu den vielen Dingen erzählen, die wir beachten mussten.

Warum eine Neuinterpretation von Midgar?

Bevor wir darüber sprechen, wie wir Midgar neu interpretiert haben, sollten wir vielleicht erst eine berechtigte Frage vieler Fans beantworten: Warum habt ihr es überhaupt getan? Schließlich sind uns ja die originalen Szenerien von FINAL FANTASY VII tief in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt - warum also nicht einfach ein Remake davon in 3D machen?

Die kurze Antwort ist: Das konnten wir nicht. Die Umwandlung der 2D-Hintergründe des Originalspiels nach 3D förderte eine Menge struktureller Widersprüche zu Tage. Auch in Fantasy-Welten müssen Gebäude und Umgebungen glaubhaft miteinander verbunden sein, und das war bei den alten Szenerien einfach nicht der Fall.

Uns wurde klar, dass wir kein überzeugend realistisches Midgar schaffen konnten, ohne diese Widersprüche aufzulösen - und das war der Hauptantrieb hinter unserer Entscheidung, so viel von der Stadt neu zu interpretieren.

Aber natürlich ist die Entscheidung, die Stadt nachzubilden und zu erweitern, nur die eine Sache. Es wirklich zu tun aber eine ganz andere!

Erster Schritt: Pläne machen

Zu Beginn unserer Arbeit an Midgar in FINAL FANTASY VII REMAKE warfen war erst einmal einen Blick auf die Ausmaße der Stadt. Wir mussten den Eindruck realistischer Proportionen vermitteln, weshalb es schon früh wichtig war, Dinge wie die Höhe und Tiefe von Gebäuden festzulegen.

Um dies zu tun, probierten wir eine interessante Idee aus: Wir machten eine Luftaufnahme mit dem Dach des Square Enix-Bürogebäudes im Tokioter Stadtteil Shinjuku im Zentrum. Darüber legten wir Diagramme von Midgar, mit dem Square Enix-Dach als Platzhalter für das Shinra-Gebäude.

Durch diesen Vergleich mit der Realität konnten sich die Entwickler die Dimensionen von Midgar vorstellen, und sie konnten diese Luftaufnahme als Referenzpunkt für unsere Überlegung verwenden, wie dicht wir die möglichst realistisch proportionierten Gebäude zusammenstellen sollten.

Inspirationen aus der echten Welt

Das war nicht der einzige Fall, bei dem die reale Welt das Aussehen und das Flair von Midgar beeinflusste. Wir haben uns von vielen Städten in aller Welt inspirieren lassen, von denen wir meinten, dass sie die Stimmung von FINAL FANTASY VII einfangen.

Wir wollten, dass Midgar - und FINAL FANTASY VII REMAKE als Ganzes - eine zusammengewürfelte, vielschichtige und spaßige Atmosphäre besitzt. Dafür haben wir uns besonders von Tokio inspirieren lassen. Beispielsweise wurde der Wall Market im Spiel - mancher mag das bereits wissen - heftig vom Kabukicho-Viertel in Shinjuku beeinflusst.

Zudem erkundete das Team Tokio und suchte nach abgefahrenen Stadtsilhouetten, schräger Architektur und interessanten Szenerien. Ihr wisst schon - so Sachen, wo man sich nicht vorstellen kann, dass die jemals so geplant worden waren. Die haben wir dann in Referenz-Dokumenten gesammelt, was ein ziemlich amüsanter Teil der Entwicklungsarbeit war!


Warum sich jeder Sektor einzigartig anfühlt

Als wir ein Gefühl für die Dimensionen hatten, begannen wir mit dem Design der verschiedenen Sektoren der Stadt. Midgar teilt sich in eine Region über und unter der Platte, und dort befinden sich jeweils verschiedenen Gebiete, die alle ihre eigene, eindeutige Identität haben. Und wir wollten, dass das im Spiel deutlich rüberkommt.

Zu Beginn der Entwicklung schufen die Spieldesigner und Szenario-Autoren Dokumente, in denen das Setting und die Welt detailreich ausgearbeitet wurden - einschließlich des Lebensstandards in den verschiedenen Gegenden.

Diese Information war von unschätzbarem Wert, weil wir dank ihr definieren konnten, welche Umgebungselemente über die verschiedenen Gebiete hinweg eingesetzt werden können und welche spezifisch für eine Gegend sind. Die Information wirkte sich sogar bis in Details wie die Textmenge auf Plakaten aus!

Wir realisierten auch, dass der Beleuchtung eine zentrale Rolle zur Unterscheidung der Gebiete zukommen würde. Mako-Reaktor 1 ist beispielsweise der älteste Mako-Reaktor. Das meiste Licht hier sieht aus, als käme es von Quecksilberdampflampen, die es schon seit langer Zeit gibt.

Im Gegensatz dazu ist Mako-Reaktor 5 vergleichsweise neu. Das Licht hier ist zumeist leicht bläulich, wie das von LEDs.

Mako ist immer noch die Energiequelle für beide Gebiete, aber die Verwendung von realen Lichtverhältnissen als Referenz erlaubte uns, die einzigartigen Charakteristiken der verschiedenen Gegenden und ihre eigenen Identitäten innerhalb Midgars zu repräsentieren.


Die Relevanz der kleinen Details

Wir konnten Schauplätzen auch Persönlichkeit verleihen, indem wir jedem von den Spielern besuchten Ort viele kleine Umgebungsdetails hinzufügten. Jeder Schauplatz ist vollgepackt mit diesen kleinen Feinheiten - man kann sie leicht übersehen, aber sie geben jedem Gebiet zusätzlichen Realismus und Atmosphäre.

Ich hoffe trotzdem, dass ihr diese Details bemerkt habt, denn es floss viel Mühe in ihre Entstehung. Die Plakate zum Beispiel: Das Team hat sich wirklich schwer angefreundet mit diesem Teil des Prozesses und während der gesamten Entwicklung neue Designs abgeliefert - selbst noch, nachdem das Spiel fertig war!

Die Graffitis begeisterten das Team ähnlich stark - einschließlich unserer Lokalisations-Leute. Wir baten sie um ein paar schmissige Parolen aus der Perspektive der Einwohner von Midgar, die dann im Spiel verwendet wurden.

Und die Sachen, auf die sie kamen, waren brillant. Zu meinen Favoriten gehört:

I once came to Midgar in search of riches,

But now I wallow alone in its ditches.

It no longer matters what words I utter,

Because none will get me out of the gutter.

(zu Deutsch etwa: Ich kam nach Midgar, auf der Suche nach Wohlstand, doch nun suhl ich mich allein in seinen Kloaken Es spielt keine Rolle mehr, welche Worte ich spreche, Weil mich niemand aus der Gosse holen wird.)

Und…

Auch wenn du erwachsen bist, kann dich das Leben noch immer klein machen.

Hier gibt's ein paar weitere Beispiele:

Das ist nur ein Bruchteil davon, was sich im fertigen Spiel finden lässt - ich hoffe, dass ihr Spaß dabei habt, sie alle zu entdecken!


Das Design des Wohngebiets auf der oberen Platte

Wir wollten nicht nur aus dem Originalspiel bekannte Gebiete von Midgar neu interpretieren, sondern der Stadt auch komplett neue Teile hinzufügen - teilweise, um die verschiedenen Gebiete zu verknüpfen, aber auch, um den Spielern mehr Einblick in diese Welt zu geben.

Eines der neuen Gebiete war das Sektor-7-Wohngebiet auf der oberen Platte. Schon früh wussten wir, dass wir uns erheblich stärker als im Original auf die Mitglieder von Avalanche konzentrieren wollten. Jessies Zuhause ins Spiel zu bringen, war da eine großartige Möglichkeit, ihre Geschichte zu erkunden - und den Spielern mehr Informationen über die Stadt selbst zu geben.

Dieses neue Gebiet wurde als Wohngebiet für die Arbeiter und Angestellten der Shinra Electric Power Company entwickelt, wir ließen uns also von Wohngegenden aus der Realität inspirieren, wo jede Menge identischer Gebäude dicht an dicht stehen.

Wir achteten sehr darauf, die Stimmung dieser Gegend richtig hinzubekommen, weil der Kollaps der Sektor-7-Platte ein unheimlich wichtiger Teil der Story ist. Ein erinnerungswürdiger Schauplatz, den der Spieler wirklich besucht und der dann in sich zusammenbricht, gibt dem Ereignis mehr Bedeutung und macht es noch realer.

Die Leute machen die Stadt

Um ein wirklich glaubhaftes Midgar zu schaffen, mussten wir natürlich mehr tun, als nur Sachen wie Gebäude und Szenerien designen - auch die Menschen sind wichtig. Tatsächlich wurde diesem Element der Stadt genauso viel Relevanz beigemessen wie den anderen.

Vom Start weg schufen wir Informationen zu jedem Teil der Stadt, einschließlich des Lebensstandards seiner Bewohner. Das half uns dabei, eine durchgehende Anmutung für die Bewohner dieser Gebiete zu schaffen.

Zudem war es mir wichtig, dass die Bewohner nicht nur passiv herumstehen - wenn man genau hinsieht, dann interagieren die Leute mit verschiedenen Elementen ihrer Umgebung.

Dies war besonders herausfordernd für das Team, und es brauchte jeder Menge wiederholter Anpassungen. Aber letztlich war es das meiner Meinung nach wirklich wert, denn so wird der Stadt wirklich Leben eingehaucht.

Die Bedeutung des Shinra-Gebäudes

Das letzte Element über das ich bezüglich des Designs von Midgar sprechen will, ist das Shinra-Gebäude. Ihr werdet bemerken, dass dieses imposante Bauwerk von überall aus sichtbar ist - und wir haben dem Layout der Stadt besondere Beachtung geschenkt, um sicherzustellen, dass das der Fall ist.

Dieses Gebäude ist so wichtig für die Klimax des Spiels, dass wir es immer präsent haben wollten, als eine Art filmmäßiger Vorausdeutung. Also haben wir jedes Gebiet so konstruiert, dass die Spieler stets eine Sichtlinie dazu haben.

So wie das Gebäude haben wir auch einen ganzen Platz drumherum geschaffen - aber den besucht der Spieler nie!

Früh in der Entwicklung war geplant, dass Cloud und die anderen das Shinra-Gebäude durch den Haupteingang betreten, so wie im Original. Also bauten wir alle Einzelheiten des Platzes. Allerdings planten wir das Ganze als Schleichabschnitt, und da war es schwierig, den Platz auf natürliche Weise in die Story einzupassen.

Da es sich um eine Infiltrationsmission handelte, beschlossen wir, dass es mehr Sinn machen würde, die Helden über die Tiefgarage ins Gebäude eindringen zu lassen. Letztlich war das eine gute Entscheidung, würde ich sagen, denn so konnten wir uns darauf konzentrieren, das Shinra-Gebäude auf eine andere Art zu zeigen wie im Originalspiel.

Zumindest war die ganze Arbeit nicht vergebens - ihr könnt den Platz aus der Ferne sehen, wenn ihr euch ins Gebäude schleicht!

Abschließende Gedanken

Ich hoffe, ihr habt hiermit einen spannenden Einblick in unseren Neuaufbau von Midgar in FINAL FANTASY VII REMAKE bekommen.

Wenn ich auf die Entwicklung zurücksehe, dann bin ich stolz, dass es uns möglich war, Gebiete der Stadt darzustellen, die sich im originalen FINAL FANTASY VII abseits des Bildschirms befanden - so wie die Unterseite der Platte -, und die Stadt und ihre Bewohner aus größerer Nähe zeigen zu können.

Ich nehme an, dass viele Leute ihre eigenen Vorstellungen davon hatten, wie diese Teile der Stadt aussehen würden, es war also in gewisser Weise nervenaufreibend, sie so explizit darzustellen. Aber nachdem wir uns so viel Gedanken über die Dimensionen und ein realistisches Feeling der Stadt gemacht haben, denke ich, dass wir sie letztlich so lebendig hinbekommen haben, wie wir das wollten.

Vielen Dank für euer Interesse - und ich hoffe, dass ihr Spaß dabei habt, die Mako-Metropole zu erkunden!


FINAL FANTASY VII REMAKE ist erhältlich für PlayStation 4. Es ist derzeit im PlayStation Store und bei ausgewählten Händlern mit bis zu 34% Rabatt erhältlich, wenn ihr es also immer schon spielen wolltet - jetzt ist der ideale Zeitpunkt:

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